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Die Geschichte des Großen Wiener Neustädter Föhrenwaldes

Ein Fachbeitrag von Dipl. Ing. Dr. Herbert Kohlross

Der Große Wiener Neustädter Föhrenwald ist ein zusammenhängendes Waldgebiet zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen im südlichen Niederösterreich. Für viele stammt er aus der Zeit Maria Theresias. Doch finden sich vereinzelt Hinweise in der Literatur, die auf eine deutlich frühere Anlage hinweisen, mitunter sogar in die Zeit Kaiser Friedrich III. Tatsächlich geht er auf eine sehr alte Anweisung zurück und die Akten in den Archiven belegen eine wechselvolle Vergangenheit und einen jahrhundertelangen Kampf der Stadt Wiener Neustadt um ihren Wald.

Die Schwarzföhre – Die charakteristische Baumart im südlichen Niederösterreich

Die Schwarzföhre ist die prägende Baumart im südlichen Niederösterreich und war durch die Harzgewinnung über Jahrhunderte Brotbaum. Nach dem Ende der Pecherei Ende der 60iger Jahre des vorigen Jahrhunderts war sie praktisch über Nacht wertlos. Dem Holz der Schwarzföhre wurde nachgesagt, es sei schwer und harzreich und für übliche Verwendungen nicht geeignet. Lediglich als Verpackungsholz oder für Masten und Stangen bestand Nachfrage. Viele Waldbesitzer setzten aus Kostengründen das Föhrenholz aus dem eigenen Wald im privaten Hausbau oder als Brennholz ein, um nicht teureres Fichtenholz zukaufen zu müssen. Trotzdem gab es einen kleinen Verwendungsbereich, für den die Schwarzföhre bis heute bekannt ist: Und zwar wird sie als Bühnenholz in vielen bekannten Theatern verwendet, weil ihr Holz nicht knarrt und die Löcher, die durch die Befestigung der Kulissen am Boden entstehen, durch das Harz wieder verschlossen werden.

Eine breit angelegte Initiative begann in den 90iger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Holzeigenschaften der Schwarzföhre zu untersuchen und stellte dabei fest: Das Holz der Schwarzföhre ist das härteste unter den heimischen Nadelbäumen und daher für Böden und Stiegen besonders geeignet, es ist besonders dauerhaft und zu aller Überraschung ist es schwer brennbar. Eine Eigenschaft, die besonders im kommunalen Bereich, wo dies erforderlich ist, wichtig ist. Es dauerte nicht lange und aus einer oftmals unterschätzten und kaum absetzbaren Holzart wurde ein wertvoller Rohstoff, der nunmehr gleichpreisig wie Weißföhre zu verkaufen ist. Bessere Qualitäten für Bühnenböden erreichen Preise von € 80 bis € 90 pro m3. Diese neuen Absatzmöglichkeiten schaffen für die Waldbesitzer in der Region seit rund 15 Jahren zusätzliche jährliche Einnahmen von rund € 2 Mio pro Jahr. Also ein durchaus nicht zu unterschätzender wirtschaftlicher Aspekt. Ein Autorenteam hat alle Erkenntnisse 2006 in Form eines Buches unter dem Titel „Die Schwarzföhre in Österreich“ herausgebracht, das leider derzeit vergriffen und nur mehr antiquarisch erhältlich ist (Kohlross Hrgb. et al., 2006). Eine komplett neu bearbeitete und erweiterte Neuauflage ist ab Juni 2022 beim Kralverlag, Berndorf (www.kral-verlag.at) erhältlich.

Dabei blieb aber die Frage, aus welcher Zeit der Föhrenwald stammt, unbeantwortet. Erste Recherchen in den Archiven blieben erfolglos und die Hinweise in der vorhandenen Literatur blieben widersprüchlich.

Tatsächlich finden sich wiederholt Hinweise in der Literatur, die die Anlage des Föhrenwaldes in das 15. Jahrhundert datieren (Zahlbruckner 1832, Newald 1874, Seckendorff 1881, Minichsdorfer 1881, Schindler 1889, Grund 1901, Leeder 1901, Beil 1906, Jobst 1908, Hausrath 1911, Bodo 1924, Güttenberger & Bodo 1929, Tschermak 1934, Glück 1938, Stainer 1942, Röhrig 1957, Leiss 1965, Grünn 1960). Die Quellen sprechen von Instruktionen, die auf kaiserlichen Wunsch eine Anlage des Föhrenwaldes beauftragen. Doch die Quelle im Archiv konnte vorerst nicht aufgefunden werden, weil die Systematik zwischenzeitlich geändert wurde. Erst 2008 erhielt der Verfasser von der Leiterin des Ausschusses für Forstgeschichte des Österreichischen Forstvereines, Frau Dr. Elisabeth Johann, den entscheidenden Hinweis. Nicht im Archiv in Wiener Neustadt, sondern im Österreichischen Staatsarchiv in Wien in den sogenannten Akten des Oberjägermeisteramtes sei der entscheidende Hinweis zu finden. Und tatsächlich findet sich dort eine Abschrift einer Instruktion, die in Punkt 12 folgenden Wortlaut enthält:

„Item Er soll dem Wolffenreutter, dem Verweser der Haubtmannschafft in der Neuenstat sagen, das er auf dem stainfeld Robatten unnd akhern lasse und darein den Samen so von Nuermberg gebracht wirdet säen, Geben zu Ynnsprug am Suntag Oculy anno 97. Jar.“

Nachdem sich diese Instruktion zweifelsfrei mit 26. Feber 1497 einordnen lässt, stellen sich zwei Fragen: Warum lässt Kaiser Maximilian I. einen Wald am Steinfeld anlegen und warum mit Samen aus Nürnberg?

Zur ersterem lassen sich nur Vermutungen anstellen: Maximilian wurde in Wiener Neustadt geboren und seine Geburtsstadt diente als Haupt- und Residenzstadt seines Stammlandes Steiermark. Obwohl er als Kaiser und in Reichangelegenheiten viel in Augsburg und vor allem in Innsbruck residierte, blieben ihm Angelegenheiten der Jagd und der Waldbewirtschaftung stets ein persönliches Anliegen. Es könnte durchaus sein, dass die Waldanlage Teil eines Jagdgebietes war, um von Wiener Neustadt aus der Jagdleidenschaft zu frönen (Minichsdorfer 1881). Vielleicht war aber auch der Umstand der Brandkatastrophe 1496 maßgeblich und dem anhaltenden Problem der Holzversorgung der kaiserlichen Residenz mit Bau- und Brennholz, die ihn veranlassten einen Wald anlegen zu lassen (Mayer 1924-28).

Die Schwarzföhre
Österreichische Baumart mit großer Vergangenheit

Die Schwarzföhre ist von besonderer Bedeutung für uns. Ist sie doch jene Baumart, die 1785 erstmals in unserem Land botanisch richtig beschrieben wurde, was wiederum Botaniker dazu veranlasst, sie als berühmteste Baumart Österreichs zu bezeichnen.

Auf Grund ihrer Fähigkeit, magere Böden zu besiedeln und durch ihre Nadelstreu Humus anzureichern, wurde sie schon im 19. Jahrhundert weit über ihr natürliches Verbreitungsgebiet hinaus angebaut, was ihr schnell internationale Anerkennung verschaffte. Seither wird sie weltweit als die österreichische Schwarzföhre (Austrian pine, pin noir d’Autriche, etc.) bezeichnet.

Die Schwarzföhre
Österreichische Baumart mit bedeutsamer Zukunft

Auch an der Schwarzföhre geht der Klimawandel nicht spurlos vorüber. Dort, wo sie an ihrer unteren Verbreitungsgrenze liegt, wie z.B. am Steinfeld im südlichen Niederösterreich, setzen ihr Trockenheit, Hitze und eine Pilzerkrankung schwer zu. Aber in bisher z.B. von der Buche dominierten Bereichen wird sie in Zukunft eine wichtige Rolle spielen können. International gibt es vermehrt Anstrengungen, ihr Potenzial zum Erschließen besonders magerer und trockener Standorte auszuloten.

Kennen Sie den Unterschied
zwischen Schwarzkiefer und Schwarzföhre?

Es gibt keinen. Beides bezeichnet denselben Baum. Wissenschaftler verwenden eher die Bezeichnung Kiefer. Ein Begriff, der wahrscheinlich im 11. Jahrhundert entstanden ist als Kurzform aus Kien und Föhre. In unserer Region heißt der Baum Schwarzföhre, was auch unzählige Namen wie Föhrenwald, Föhrenbaum, Fahrafeld, etc. belegen. Für uns Grund genug, sich auf die authentischen Wurzeln zu besinnen und auch aus Lokalpatriotismus bei der ursprünglichen Bezeichnung Schwarzföhre zu bleiben.

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Der Nürnberger Reichswald – das Vorbild für Wiener Neustadt

Nürnberg war im Mittelalter eine bedeutende Großstadt. Um sie herum lag der Nürnberger Reichswald, der spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch Übernutzung verödet war (Mantel 1980). Nachweislich begann man 1368 mit der Nadelholzsaat (Stromer 1990). Dabei wurde erstmals im großen Stil Samen von Nadelbäumen, wahrscheinlich von Tanne, Fichte und vor allem von Weißföhre, gewonnen und gesät. Dieser Umstand ist besonders deshalb interessant, weil um diese Zeit Nadelbäume eher als wertlose, weil fruchtlose Holzarten galten, ganz im Gegensatz zu den zwecks Schweinemast hochgeschätzten Buchen, Eichen und Obstbäumen. Bemerkenswert ist auch, dass die reifen Zapfen aus den Baumkronen geerntet werden mussten. Die auf den Boden gefallenen Zapfen enthalten kaum Samen, weil diese meist schon ausgefallen oder von Tieren bereits verzehrt worden sind. Auch die anschließende sorgsame Wärmebehandlung der Zapfen, das Klengen, um deren Nachreifung und das Ausfallen der Samen zu ermöglichen, bedarf besonderer Kenntnisse, die nicht ohne weiteres vorhanden gewesen sein dürften. Erfolgt die Trocknung zu rasch oder bei zu hohen Temperaturen, besteht die Gefahr des Verlustes der Keimfähigkeit. Verfährt man aber mit zu geringen Temperaturen über einen zu langen Zeitraum, besteht die Gefahr, dass das Saatgut nicht ausreichend trocknet und von Pilzen befallen wird und verdirbt. Auch die Lagerung über den Winter bis zur Aussaat im Frühjahr muss so erfolgen, dass der Samen vor Schädlingen wie Mäusen ausreichend geschützt wird.

Initiator der Aufforstungen war Peter Stromer, Herr eines der bedeutendsten und größten Handelshäuser seiner Zeit und Montanunternehmer, womit sein vitales Interesse an ausreichender Holzversorgung erklärt ist. Sein Verfahren der künstlichen Anlage von Nadelwald im großen Stile war eine die Forstwirtschaft auch über die nächsten Jahrhunderte prägende, bahnbrechende Neuerung. Diese Idee erwies sich als so erfolgreich, dass bald eine rege Nachfrage nach Nadelwaldsaaten einsetzte. Den Saatgutlieferungen wurden dazu sogenannte „Tannensäer“ beigegeben, das waren Forstleute, die über die nötigen Kenntnisse verfügten, um neue Wälder zu begründen. Auch das war eine besondere Leistung Stromers und eine sehr moderne Vorgangsweise, nicht nur ein Produkt, die Samen, anzubieten, sondern auch die notwendige Technologie mit zu vermarkten. Die freie Reichsstadt Frankfurt am Main war dann auch die erste, in der ab 1426 Saaten nach dem Beispiel Nürnbergs ausgeführt wurden. Diesen folgten Saaten um 1483 im badischen Schwarzwald, 1485 in Ungarn, 1496 in Sachsen, 1498 in Baden, 1548 und 1568 in der Rheinlandpfalz und in Hessen, 1514-16 in Brabant, 1540 in Böhmen, 1547 in Jülich, 1560 in Thüringen, 1570 im österreichisch-alpenländischen Montanrevier und 1591 in Welsch-Tirol bei Primör (Stromer 1968). Somit ist die Saat um Wiener Neustadt eine der ältesten künstlichen Waldanlagen in Europa.

 

Die ersten Nachrichten über den Föhrenwald

Der Wiener Neustädter Föhrenwald kommt erstmals in einem Brief Kaiser Maximilians II. vom 24. Mai 1569 an Wiener Neustadt vor (NStA, Scrin 88, f. 17/2). Daraus lässt sich erkennen, dass damals schon ein Wald vorhanden gewesen sein muss, dessen Holz nutz- und verwertbar war. Den Bürgern von Wiener Neustadt wird bestätigt, dass sie den Wald fleißig gepflegt hätten.

Kurz darauf wird bereits von einem hohen Gehölz gesprochen. Der künstlich angelegte Wald dürfte sich demnach prächtig entwickelt haben. Es fällt auch auf, dass die Worte „Geheg“ und „Gehülz“ wechselweise als Bezeichnungen für das betreffende Gebiet verwendet wurden. Offensichtlich wurde ein Jagdgebiet, ein Gehege angelegt und darin auch ein Wald.

Doch schon im 16. Jahrhundert treten die ersten Konflikte zwischen den kaiserlichen Jägern einerseits, die die Wahrung der jagdlichen Interessen des jeweiligen Landesherrn wahrnehmen und den Bürgern der Stadt Wiener Neustadt, die die ungehinderte Holznutzung ihres Waldes beanspruchen, auf. Auch umliegende Gemeinden und angrenzende Herrschaften stellen wiederholt Nutzungs- und Besitzansprüche. Wiener Neustadt führt eine jahrhundertelange Auseinandersetzung und muss bis Ende des 19. Jahrhunderts warten, bis ihre Eigentumsansprüche uneingeschränkt anerkannt und schließlich 1854 auch grundbücherlich gesichert werden.

 

Warum wird die Anlage des Föhrenwaldes immer wieder mit der Zeit Maria Theresias in Zusammenhang gebracht?

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, also zur Zeit der Regierung Maria Theresias, wurden die landwirtschaftlichen Grundstücke der Bauern neben dem kaiserlichen Föhrenwald vorwiegend als Ackerflächen genutzt. Die Ernte war gering und als Weide waren diese Flächen wegen des spärlichen Graswuchses ebenfalls kaum geeignet. Um diese Zeit wurden landwirtschaftlich genutzte Flächen im Steinfeld vielfach aufgeforstet (Höss 1826, Reichhardt 1868). Anlass war der vermehrte Bedarf an Einstreu für die Stallhaltung des Viehs und die zunehmende Bedeutung der Harzgewinnung an der Schwarzföhre. Somit blieben diese Aufforstungen der bäuerlichen Flächen zu Zeiten Maria Theresias im Gedächtnis der Bevölkerung erhalten.

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Quellen

Die Geschichte des Föhrenwaldes mit Beiträgen zur Geschichte Pecherei und zur historischen Holzverwendung ist 2011 als Buch erschienen und ist beim Autor unter herbert@kohlross.at erhältlich.

  • Dipl. Ing. Dr. Herbert Kohlross

Dipl. Ing. Dr. Herbert Kohlross

Jahrgang 1963, geboren und aufgewachsen in Wien; unser Wochenendhaus in Gutenstein im südlichen Niederösterreich hat mich zu Wald und Bäumen und schließlich zur Forstwirtschaft gebracht; gleich nach dem Studium habe ich in Wien eine Stelle in der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern in Österreich bekommen, bei der ich viele nationale und internationale Erfahrungen sammeln konnte; Arbeitsauffassung, Organisation, strategisches Denken, aber auch einfache Sachen wie Protokolle und Briefe kurz und prägnant zu verfassen u.v.m. habe ich bei meinem damaligen Chef Thomas Stemberger gelernt;

als Forstmann hat es mich dann doch weg von Sitzungen und Terminen in die Provinz zu Waldbesitzern und Waldbegehungen gezogen und als dann in meinem Heimatbezirk die Stelle eines Forstberaters bei der Nö. Landwirtschaftskammer frei wurde, habe ich gewechselt; dort hatte ich das Glück unter dem Forstdirektor Anton „Johnny“ Jonas arbeiten zu dürfen, der mir in vielen mit Rat und Tat zur Seite stand und unsere Initiativen (Schwarzföhre, Wald-Wild, Waldwirtschaftspläne, Waldwirtschaftsgemeinschaften etc.) auch oft gegen Widerstände unterstützt hat;

nach 17 Jahren „Kammer“ wollte ich 2011 noch was Neues angehen; mein ehemaliger Kollege in der Kammer Franz Puchegger hatte sich schon zwei Jahre zuvor selbständig gemacht und mit einem technischen Büro die Vermarktung der Waldbesitzer im südlichen Niederösterreich professionalisiert; zu diesem Zeitpunkt suchte er Verstärkung und so haben wir beschlossen, die WHG Waldholz G.m.b.H. zu gründen; gleichzeitig hat jeder für uns für seine übrigen Tätigkeiten eigene Büros, ich eben die Unternehmensberatung in der Forstwirtschaft. (Quelle: www.kohlross.at)

 

Rechte & Produktion

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