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Mindert die Biomassenutzung den Klimawandel?

Ein Fachbeitrag von Robert Jandl, Silvio Schüler, Viktoria Valenta

Kohlenstoff in Wäldern

Österreich emittierte im Jahr 2020 73.592 Kilotonnen an Kohlendioxidäquivalenten. Der Wald war im selben Zeitraum eine Senke von 1.253 Kilotonnen. Die Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid in Wäldern ist ein zentrales Thema in der Debatte um den Klimawandel.

In der politischen Diskussion werden ambitionierte Ziele verfolgt, die bisher noch wenig durch eine Reduktion der Emissionen der Treibhausgase, sondern durch eine vermehrte Aufnahme von CO2 in Wäldern umgesetzt werden sollen. Dabei werden Ziele für das Jahr 2030 und 2050 genannt, also in Zeiträumen, die deutlich unter dem Produktionszeitraum eines Waldes liegen. In den Waldböden sind derzeit etwa 120 t Kohlenstoff pro Hektar gebunden, in der Biomasse der Bäume etwa 100 t C/ha.

Für die Minderung des Klimawandels ist entscheidend, ob die Wälder auch in Zukunft der Atmosphäre CO2 entziehen und als Kohlenstoff in der Biomasse und im Boden dauerhaft speichern können.

Optionen

Eine Option besteht in der Reduktion der Nutzung der Biomasse. Dadurch wird der bereits vorhandene Kohlenstoffvorrat zusätzlich erhöht, solange der Wald nicht durch Störungen (Sturm, Schnee, Feuer, Borkenkäfer) geschädigt wird. Infolge der historischen Übernutzung des Waldes und der in den Bergregionen durch den Klimawandel steigenden Wuchsleistung ist dabei ein großes Potential der Kohlenstoffbindung möglich. Immerhin nahm der stehende Vorrat an Stammholz von 780 Mio fm in den 1960er Jahren auf derzeit knapp 1.200 Mio fm zu. Dabei wurden enorme Kohlenstoffmengen gebunden. Die verfügbaren Daten über die Veränderung des Kohlenstoffvorrates im Boden sind weniger belastbar. Jedenfalls war die Veränderung weitaus geringer. Es ist verlockend, die bisherige Zunahme der Kohlenstoffsenke in Wäldern zu extrapolieren und zur Erreichung der politischen Ziele zur Minderung des Klimawandels einzusetzen.

Eine konträre Option besteht darin, die Nutzung der Biomasse zu forcieren. Dabei wird die produktivste Phase der Bestandesentwicklung bis etwa zum Alter von 80 – 100 Jahren genutzt, um eine große Menge Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufzunehmen. Bei der anschließenden Holzernte wird der in der Biomasse gebundene Kohlenstoff von der lebenden Biomasse in einen kaskadischen Produktzyklus gebracht, an dessen Ende die energetische Verwendung der Biomasse steht. Dabei kommt den langlebigen Holzprodukten eine besondere Bedeutung zu, denn diese können als externer Waldkohlenstoffspeicher angesehen werden.

Beide Optionen haben ihr Für und Wider. Die Nutzungsreduktion setzt voraus, dass die Nachfrage an Holzprodukten sinkt, sodass der Verzicht auf Holzernte sinnvoll ist. Außerdem wird unterstellt, dass die älter und dichter werdenden Bestände nicht überproportional von Störungen betroffen sind, eine Annahme, die durch die zunehmenden Schäden durch Sturm und Käfer sehr fraglich erscheint. Die Forcierung der Nutzung ist kurz- oder mittelfristig eine Option, da seit Jahrzehnten der jährliche Zuwachs größer als die Ernte ist und dadurch Nutzungsreserven aufgebaut wurden. Die beobachtete Zunahme an Schadereignissen kann zum Teil auf die Veränderung der Bestandesstruktur (höher / dichter) zurückgeführt werden. Die Forcierung der Nutzung setzt voraus, dass der Bedarf an Holzprodukten steigt, wodurch andere Materialien ersetzt werden können.

Die Diskussion würde von einer Verständigung über die jeweils betrachteten Systemgrenzen profitieren. Das beinhaltet die räumliche und zeitliche Festlegung der Kohlenstoffdynamik im betrachteten Waldstück und die Verwendung der Holzprodukte, die aus dem Wald gewonnen wurden.

 

Anteil Energetischer Nutzung Holzeinschlag

 

Möglichkeiten und Grenzen

Kein Wald kann dauerhaft eine Senke für Kohlendioxid und andere Treibhausgase sein. Das “eiserne Gesetz des Standortes“ setzt dem Waldwachstum Grenzen. Durch die Übernutzung der Wälder seit dem Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die Kohlenstoffvorräte so weit abgesenkt, dass eine Wiederbefüllung der Vorräte in den nächsten Jahrzehnten einen Einfluss auf die österreichische Treibhausgasbilanz haben könnte. Eine Zielgröße des potentiell möglichen Kohlenstoffvorrates als Referenzwert unter gegebenen Standortsbedingungen (Boden, Seehöhe, Klima) lässt sich aufgrund der bereits spürbaren Änderungen des Klimas aber nur schwer bestimmen. Je nach der Ausprägung des Klimawandels und dem damit verbundenen Störungsregime sind Anpassungsmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung (z. B. mehr Mischwälder) unabdingbar und führen zu unterschiedlichen Referenzniveaus der Kohlenstoffvorräte. Die Höhe dieser Referenzniveaus bestimmt, mit wie viel zusätzlicher Kohlenstoffaufnahme gerechnet werden kann und ob die politischen Ziele mit Zeithorizonten bis 2030 oder 2050 bedient werden können.

 

Weniger Nutzung mehr Biomasse im Wald

Würde man in den nächsten Jahrzehnten die Waldnutzung einschränken, würde der Vorrat in der stehenden Biomasse ansteigen und das durchschnittliche Bestandesalter steigen. Eine heikle Frage ist, ob der größer werdende Vorrat stabil wäre. Nach den international formulierten Vorgaben sollen einmal aufgebaute Speicher von Treibhausgasen langfristig erhalten bleiben, d.h. die Permanenz muss gewährleistet sein und der österreichische Wald müsste die vergrößerte Menge an Waldbiomasse dauerhaft erhalten.

Andrerseits darf die Vergrößerung der Senke im Wald nicht zu einer geographischen Verschiebung der Waldnutzung führen. Das bedeutet, dass  eine Reduktion der Holznutzung in Österreich  keinesfalls zu einem stärkeren Einschlag in Osteuropa, Südamerika oder Asien führen darf, insbesondere solange die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung in anderen Regionen nicht ausreichend sichergestellt werden kann. Die Verschiebung der Holznutzung in andere Regionen wird auch als Leakage Effekt bezeichnet.

Aus forstlicher Sicht ergeben sich dadurch mehrere Herausforderungen. Die Nicht-Nutzung von fichtenreichen Wäldern ist mit den Beobachtungen der letzten 10 Jahre und den Erwartungen über das künftige Störungsregime nicht argumentierbar. Immerhin sind vielerorts die fichtenreichen Bestände von Sturm- und Käferschäden betroffen, die bisher aber den größten Teil des österreichischen Kohlenstoffvorrats ausmachen Durch buntere Baumartenkombinationen werden die Wälder stabiler, aber nicht unbedingt produktiver. Außerdem ist nicht klar, wie der beschriebene Ansatz mit einer Veränderung der Nachfrage nach Holzprodukten umgeht.

 

Mehr Nutzung – weniger Biomasseaufbau im Wald

Würde die Waldnutzung in den nächsten Jahrzehnten aufrechterhalten oder intensiviert werden, würde der Vorrat der stehenden Biomasse weiterhin leicht steigen bzw. gleich bleiben. Die älteren Bestände würden genutzt werden, und das durchschnittliche Bestandesalter würde sich nicht ändern. Dabei würde das Holz so lange im Wald bleiben, wie ein überdurchschnittlicher Biomassezuwachs und Kohlenstoffaufnahme garantiert sind. Mit der Holzernte geht der darin gebundene Kohlenstoff in den Produktzyklus über, in dem er stofflich und energetisch genutzt wird. Die Voraussicht, die stoffliche Nutzung des Holzes in einer kaskadischen Form zu forcieren, ist gleichermaßen eine politische und eine gesellschaftliche Verantwortung.

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Energetische Nutzung der Biomasse

Waldbiomasse als erneuerbarer Energieträger wird heftig diskutiert. Einleuchtend ist die energetische Verwendung von Nebenprodukten der Holzverarbeitung, die innerbetrieblich im Rahmen der Prozessschritte verwendet werden. Ein zweiter Fall ist die traditionelle Deckung des Energiebedarfs von Haushalten und regionalen Einheiten (z. B. Höfe, öffentliche Gebäude), die mit regionalen Holzressourcen versorgt werden und damit eine dezentrale Energieautarkie unterstützen. Der dritte Fall ist die Verwendung von regional verfügbarem Schadholz, das den qualitativen Anforderungen der stofflichen Nutzung nicht entspricht.

 

Kohlenstoffbindung im Wald anstelle der Emissionsreduktion?

Angesichts des Klimawandels haben es fast alle Gesellschaften global versäumt, rechtzeitige Klimaschutzmaßnahmen zur Anpassung ihrer Energie- und Verkehrssysteme sowie einer nachhaltigen Landnutzung umzusetzen und die Emission von Kohlendioxid zu reduzieren. Zudem sind bisher keine technischen Verfahren zur Abscheidung aus der Atmosphäre verfügbar, die zu überschaubaren Kosten eine weitere Erwärmung abmildern können.

Da die nachhaltig bewirtschafteten Wälder Österreichs und ganz Europas über Jahrzehnte die einzige signifikante Kohlenstoffsenke unserer Gesellschaft darstellen, scheint es berechtigt, diese letzte Option noch zu verbessern. Gleichzeitig steigt die Gefahr, dass das heute bereits im Wald gespeicherte CO₂ – das entspricht der 40-fachen Menge der jährlichen CO₂-Emission Österreichs – durch bisher unvorhersehbare Extremereignisse in wenigen Jahren in die Atmosphäre entweichen könnte.

Zum Weiterlesen

Wald für alle - wie man Holznutzung, Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität vereinbart
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Zum Nachlesen

Quellen

  • Robert Jandl, Silvio Schüler, Viktoria Valenta
  • Bundesforschungszentrum für Wald (BFW)

Rechte & Produktion

© 2023 Robert Jandl, Silvio Schüler, Viktoria Valenta und waldgeschichten.com  –  Die österreichischen Familienwaldbetriebe & Österreichischer Forstverein  –  Unterstützt durch den Holzinformationsfonds der Landwirtschaftskammer Österreich.

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