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Waldökologie und Naturraummanagement

Biodiversitätsstudie im Forstgut Pichl der Landwirtschaftskammer Steiermark

Erstmals existieren Fakten für ein großflächiges Gebiet (359 ha) und über die tatsächliche ökologische Wertigkeit von bewirtschafteten Wäldern. Die Forstwirtschaftliche Ausbildungsstätte (FAST) Pichl Mürztal führte von September 2019 bis August 2020 ein umfassendes waldökologisches Projekt durch, mit dem Ziel, die Artenvielfalt im Wirtschaftswald darzustellen.

Es wurden 17 verschiedene Tiergruppen, Pflanzen, Flechten, Moose, Pilze untersucht sowie die Ausstattung mit abgestorbenem Biotopholz pro Hektar, Bodenprofile und Witterungsdaten erhoben.

16 Untersuchungsflächen auf 359 ha

Die 16 ausgewählten Untersuchungsflächen auf dem Gebiet von 359 Hektar wurden exakt abgegrenzt und ökologisch beschrieben. Sie unterscheiden sich in topografischen, geologischen, waldwirtschaftlichen, strukturellen und temperaturabhängigen Faktoren.

Die Waldbestände erstrecken sich von 580 bis 1.010 Meter Seehöhe. Der im Untersuchungsgebiet gelegene Bergrücken wird von der Stuhleck-Kirchberg-Decke des Koralpe-Wölz-Deckensystems aufgebaut. Dieser besteht fast ausschließlich aus dem Pretuler Orthogneis („Grobgneis“). Die Exposition der Waldflächen ist überwiegend nach Südwesten ausgerichtet. Die Witterung im Gebiet ist durch oft lang in den Vormittag hineinreichende Bewölkung bzw. Nebel gekennzeichnet. Die mittlere Jahresniederschlagsmenge beträgt ca. 1.065 mm und die mittlere Lufttemperatur 10.1°C.

Die Fichte dominiert im Untersuchungsgebiet, Laubholz kommt in den älteren Beständen nur eingestreut vor, Rotbuchen finden sich nur vereinzelt. Die Waldflächen sind deutlich in verschiedene Altersklassen gegliedert (einschichtige Bestände), wobei es sowohl sehr gut wüchsige als auch Bestände auf sehr kargen Böden gibt. Bestände gleichen Alters unterscheiden sich daher öfters im Erscheinungsbild. Bestände mit einem Alter von 100 Jahren und darüber überwiegen im Gebiet (2/3 der Bestände). Das Forstwegenetz ist sehr engmaschig und bildet Grenzlinien im Wald. Die Waldbewirtschaftung dieses Gebietes ist über viele Jahre dokumentiert, woraus hervorgeht, dass in früheren Zeiten Großkahlschläge durchgeführt worden sind. Teilweise erfolgte eine landwirtschaftliche Nutzung der Bestände wie durch Waldweiden etc.

Die Waldbestände der FAST Pichl bieten somit ideale Bedingungen, um tatsächliche Auswirkungen einer kontinuierlichen, intensiven Bewirtschaftung auf die Artenvielfalt von Wirtschaftswäldern auf großer Fläche darzustellen.

Deshalb wurden die montanen Wirtschaftswälder zoologisch und botanisch untersucht.

 

Umfangreiches Waldökologie-Projekt

Im Rahmen des umfangreichen Waldökologie-Projektes wurden die Tiergruppen der Spinnen, Weberknechte, Pseudoskorpione, xylobionten Käfer, Rindenwanzen, Zikaden, Ameisen, Pflanzenwespen, Schnecken und Säugetiere (Kleinsäuger und Fledermäuse), Libellen, Schmetterlinge, Heuschrecken, Amphibien, Reptilien und Vögel erhoben. Die Inventarisierung der lokalen Fauna und Flora und die Analyse der Lebensgemeinschaften unter dem Aspekt der standörtlichen Gegebenheiten und der Bewirtschaftung standen dabei im Fokus. Auf den 16 Probeflächen wurden insgesamt 1028 Tierarten, 780 Pilzarten, 204 Pflanzenarten, 165 Flechtenarten, 66 Moosarten nachgewiesen.

Für die untersuchten Kleintiergruppen (Insekten, Spinnentiere, etc.) gelangen zwei Erstnachweise für die Steiermark: der Fund des Totholz-Stachelwolfs, der einzigen holzbewohnenden Wolfspinne sowie des Mährischen Asselfressers. Mehrere Zweit-/Dritt-/Wiederfunde seltener Arten wurden ebenfalls für das Bundesland entdeckt.

Nur für wenige Amphibien und Reptilien stellen geschlossene Waldbiotope geeignete Habitate dar. Der überwiegende Anteil von Nachweisen bezieht sich auf Sonderstandorte. Speziell hervorzuheben sind dabei sogenannte Ökotone (Übergangslebensräume) wie Waldsäume, Wegränder, Wegböschungen und Hecken, aber auch versteckreiche, gut gesonnte Schlagfluren.

Ebenso konnten 59 Vogelarten nachgewiesen werden. Die Vogelfauna in der FAST Pichl kann als vollständig, in Bezug auf Wälder dieser Größe und Höhenlage, angesehen werden. Über alle untersuchten Tiergruppen hinweg konnten geschützte und gefährdete Arten nachgewiesen werden.

Waldbewirtschaftung und Biodiversität

Dass ein gepflegter und bewirtschafteter Wald genauso zum Klima- und Artenschutz beiträgt, wurde nun in diesem Forschungs-Projekt, durchgeführt im Forstgut Pichl, eindeutig belegt.

Die beim Forschungs-Projekt entdeckte Artenvielfalt an unterschiedlichen Standorten hat die Erwartungen bei Weitem übertroffen: Rote Liste Arten, Endemiten und viele andere geschützte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wurden in einem seit Jahrhunderten bewirtschafteten Wald entdeckt.

Kurzgefasst
Biodiversitätsstudie Endbericht

  • Auf den 16 Probeflächen wurden insgesamt 1028 Tierarten, 780 Pilzarten, 204 Pflanzenarten, 165 Flechtenarten, 66 Moosarten nachgewiesen.
  • Über alle untersuchten Tiergruppen hinweg konnten geschützte und gefährdete Arten nachgewiesen werden.
  • Auf einzelnen Totholzbäumen und Baumstümpfen wurden bemerkenswerte Funde aus der Gruppe der Insekten und Spinnentiere gesichtet.
  • Totholz: 43 m³/ha.
  • Das ökologische Potenzial von Wirtschaftswäldern ist viel höher als bisher angenommen.

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Da die naturschutzfachliche Wertigkeit eines Lebensraums in erster Linie anhand der Anzahl an geschützten Arten gewertet wird, wurde dem FAST Pichl insgesamt eine flächendeckende lokale Bedeutung attestiert. Aufgrund einzelner Sonderstandorte und relikterer Flächen und Strukturen, erreicht es allerdings regionale bis überregionale, als auch landesweite Bedeutung.

Dies ist umso erstaunlicher, da im Gebiet forstliche Nutzung immer absolute Priorität hatte und dennoch ein äußerst biodiverser Wirtschaftswald festgestellt werden konnte. Von allen Standorttypen (trockene, schlechtwüchsige, feuchtere, gutwüchsige) wurden bemerkenswerte Funde und wertbestimmende Arten gefunden. Aufgrund der Langlebigkeit der Bäume und nur wenigen Eingriffen während der Umtriebszeit, bietet das FAST Pichl seltenen Arten entscheidende Lebensraumnischen (einzelne alte Bäume, Totholz, starke Baumstümpfe, etc.). „Biodiversitäts-Inseln“ stellen wichtige und ausreichende Refugien auch für die Wiederbesiedlung intensiv forstlich genutzter Flächen dar. Sie bieten vielen spezialisierten Arten, darunter vielen geschützten Arten, hochwertigen Lebensraum. Speziell schwaches, liegendes Totholz nimmt eine tragende Rolle für die Gruppe der Flechten und Pilze ein. Auf einzelnen Totholzbäumen und Baumstümpfen wurden bemerkenswerte Funde aus der Gruppe der Insekten und Spinnentiere gesichtet.

 

Waldinnenklima

Das Waldinnenklima allein ist ausreichend für besonders günstige ökologische Bedingungen. Durch dessen idealen Schlussgrad (Lichteinfall) ermöglicht es eine extreme Dichte an Ameisennestern. Sehr erstaunlich ist dabei die Menge an Totholz: 43 m³/ha.

In kleinstrukturierten Bauernwäldern wird infolgedessen noch eine viel größere Dichte hochwertiger Lebensraum-Nischen vermutet. Durch die methodische Einschränkung auf vorgegebene Probeflächen der Vergleichbarkeit wegen sind für viele Artengruppen die besten Lebensraumbereiche im Forstgut noch gar nicht untersucht. Es wird für fast alle Organismengruppen noch mit weiteren bemerkenswerten Funden im Wirtschaftswald des FAST Pichl gerechnet. Auch aus botanischer Sicht ist das wahre Potenzial des Gebietes noch kaum erfasst. Daher soll in einer weiteren Studie vor allem das Forststraßennetz, welches für viele gefährdete Offenlandarten in Österreich einen Rückzugsraum bietet, untersucht werden.

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das ökologische Potenzial von Wirtschaftswäldern viel höher ist als bisher angenommen, dass es eine Vielzahl an Nadelwald bewohnenden Arten gibt, die nur im Nadelwald erhalten werden können und dass ein großflächiger Ansatz erforderlich ist, um das ökologische Potenzial von Wirtschaftswäldern richtig einschätzen zu können.

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Quellen

  • Waldökologie und Naturraummanagement im Forstgut Pichl der LK Steiermark; Studie kann unter fastpichl@lk-stmk.at angefragt werden.

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