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    Biodiversität im Winterwald

    Wie Bodenleben, Totholz und Pilze den Wald stabil halten

    • Waldbesitzer:innen
    • Waldarbeiter:innen
    • Waldbesucher:innen

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    Was passiert im Wald unter der Schneedecke?

     

    Der verschneite Winterwald wirkt still und leblos. Doch dieser Eindruck täuscht: Unter der weißen Decke herrscht ein Mikroklima, das zahlreichen Organismen das Überleben und sogar aktives Arbeiten ermöglicht.

    Schnee wirkt wie eine natürliche Isolationsschicht: Er schützt den Boden vor tiefer Durchfrierung und hält die Temperatur in der Streuschicht stabil, oft knapp über dem Gefrierpunkt. In diesem geschützten Raum zwischen Laub, Totholz und Erde geht das Leben weiter. Regenwürmer, Milben, Springschwänze und Pilze setzen ihre Arbeit fort; sie zersetzen organisches Material zu Humus und halten Nährstoffkreisläufe am Laufen.

    Diese versteckte Aktivität ist kein Nebenschauplatz, sondern das Fundament für alles, was im Frühling sichtbar wird.

    Das Bodenleben als unterirdisches Kraftwerk

     

    Auch bei niedrigen Temperaturen arbeiten Bodenorganismen an der Zersetzung von Laub und abgestorbenen Pflanzenteilen. Sie verwandeln dieses Material in Humus, die fruchtbare Schicht, die Nährstoffe speichert und für das Pflanzenwachstum bereitstellt.

    Besonders bedeutsam sind die Mykorrhiza-Netzwerke, also die Symbiosen zwischen Pilzgeflechten und Baumwurzeln. Diese unterirdischen Verbindungen transportieren Nährstoffe und Wasser, speichern Kohlenstoff und stabilisieren das gesamte Waldökosystem. Wenn der Boden dank der Schneedecke nicht durchfriert, bleibt dieses Netzwerk intakt und funktionsfähig. Hier passiert eine stille, aber entscheidende Winterleistung.

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    Totholz: Biodiversitäts-Hotspot im Winter

     

    Warum ist Totholz gerade in der kalten Jahreszeit so wertvoll? Es bietet Überwinterungsquartiere für Käferlarven, Spinnen und andere Wirbellose. Gleichzeitig dient es Pilzen als Substrat und fördert die Humusbildung.

    Im österreichischen Biodiversitätsindex für Wälder hat Totholz mit die höchste Gewichtung: Von ihm hängen auch der Nährstoff- und Wasserkreislauf sowie die Bodenentwicklung ab. Viele holzbewohnende Tiere wie etwa der Alpenbock sind ohne Totholz schlicht nicht überlebensfähig.

    Laut dem Bundesforschungszentrum für Wald BFW hat sich der stehende Totholzvorrat seit den 1990er-Jahren deutlich zugenommen. Durchschnittlich befinden sich 30 Kubikmeter Totholz pro Hektar in Österreichs Wäldern. Das entspricht mehr als einer LKW-Ladung.

    Können Flechten und Moose im Winter Photosynthese betreiben?

     

    Ja – und das macht sie zu bemerkenswerten Überlebenskünstlern. Flechten, diese Symbiosen aus Pilzen und Algen, können nach Frostperioden ihre photosynthetische Aktivität erstaunlich schnell wieder aufnehmen. Selbst bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sind sie stoffwechselaktiv. Diese Anpassung verschafft ihnen in alpinen und borealen Regionen einen entscheidenden Vorteil.

    Moose zeigen ähnliche Fähigkeiten. Sie speichern Feuchtigkeit, schützen den Boden vor Erosion und bieten Kleinstlebewesen mitten im Winter Unterschlupf.

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    Überlebenskünstler im Kleinformat

     

    In Rindenspalten, Bodenstreu und Totholz überwintern zahlreiche Insektenlarven, Spinnen und Laufkäfer. Diese Tiere sind keine passiven Schläfer, viele nutzen spezielle Frostschutz-Strategien wie das Einlagern von Glycerin, um Zellschäden zu vermeiden.

    Wer Totholz im Wald belässt, schafft Lebensraum für Spechte wie den Dreizehenspecht, die unter der Rinde nach Insekten suchen. Die typischen Fraßspuren an Baumstämmen („Entrinden”) zeigen, dass hier gearbeitet wird. Die Löcher, die Spechte ins Totholz schlagen, werden anschließend von anderen Kleinlebewesen wie Hornissen, Steinkauz oder Baumschläfer als Quartier genutzt.

     

    Strukturreiche Wälder mit Altbäumen und ungestörter Laubschicht bieten diesen Überwinterern die nötigen Rückzugsräume. Wird der Wald zu stark „aufgeräumt”, fehlen diese Nischen. Das kann die gesamte Nahrungskette im Frühjahr aus dem Gleichgewicht bringen.

    Foto: Dreizehenspecht

    Der ökonomische Mehrwert: Warum Totholz sich rechnet

     

    Totholz ist das Gegenteil von verlorenem Wert: Im Totholz entwickeln sich auch die natürlichen Gegenspieler von Schädlingen. Insgesamt wirkt die Artenvielfalt stabilisierend und verhindert, dass sich schädliche Insekten massenhaft vermehren.
    Die Angst vor Borkenkäfern ist dabei oft unbegründet. Die gefährlichsten Borkenkäferarten – Buchdrucker und Kupferstecher – besiedeln nur absterbende oder frisch abgestorbene Fichten. Von älterem Totholz, das schon länger im Wald vorhanden ist, geht keine Gefahr mehr aus.

    Wichtiger noch: Untersuchungen zum Buchdrucker haben gezeigt, dass die meisten natürlichen Feinde die toten Käferbäume im Frühling erst ein bis zwei Monate nach dem Borkenkäfer verlassen. Wenn man die verlassenen Käferfichten in dieser Zeit fällt, vernichtet man nicht den Borkenkäfer, sondern seine natürlichen Feinde.

    Der Dreizehenspecht ist auf Borkenkäfer spezialisiert und ein wichtiger natürlicher Gegenspieler. Er ist vorwiegend in totholzreichen Fichtenwäldern zuhause – ein weiterer Grund, warum Totholz betriebswirtschaftlich Sinn macht.

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    Wenn Schneebruch zum Vorteil wird

     

    Was auf den ersten Blick wie ein Schaden wirkt, kann sich ökologisch als Gewinn erweisen: Schneebruchflächen werden oft zu wichtigen Biodiversitäts-Hotspots. Umgefallene und liegengelassene Bäume sind als Totholz ein wertvoller Lebensraum und tragen maßgeblich zur Naturnähe und Natürlichkeit eines Waldes bei. Diese umgefallenen Bäume bereichern den Wald und sind eine Schatztruhe für die Artenvielfalt.

    Die aus forstlicher Sicht entstandenen „Schadflächen” bieten gleichzeitig Totholz und aufgelichtete Bereiche, was sich auf viele naturschutzrelevante Artengruppen wie Totholzinsekten, Tagfalter, Vögel und Fledermäuse positiv auswirken kann. Statt nach Schneebruch alles sofort aufzuräumen, kann es sinnvoll sein, einen Teil liegen zu lassen, sofern keine Sicherheitsrisiken bestehen.

    Praxis-Tipps für Waldbesitzer:innen

     

    Biodiversitätsförderung im Winter erfordert oft weniger Arbeit, nicht mehr.

    • Totholz belassen, sofern es keine Sicherheitsrisiken darstellt: Stehendes Totholz bietet Höhlenbrütern Lebensraum, liegendes Totholz fördert Bodenleben und Pilzwachstum. 
    • Laubstreu nicht entfernen: Die natürliche Streuschicht ist kein Unordnung, sondern ein funktionierendes Ökosystem. Hier überwintern nicht nur Insekten, sondern auch Amphibien und kleine Säugetiere.
    • Strukturvielfalt erhalten: Altholz-Inseln, Waldränder und naturnahe Bereiche sind besonders wertvoll. Eine intuitive Gliederung nach Entwicklungsstufen vom Jungwuchs bis zum Altbestand hilft bei der Auswahl passender Biodiversitäts-Maßnahmen.
    • Timing bei der Holzentnahme beachten: Verlassene Käferbäume sollten nicht sofort nach dem Ausflug der Borkenkäfer entfernt werden. Die natürlichen Feinde brauchen noch Zeit, um ebenfalls auszufliegen.

     

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    Häufige Fragen zur Winterbiodiversität

     

    • Speichern Bäume im Winter weiterhin CO₂? Ja, aber anders. Die Photosynthese ist bei wenig Licht und niedrigen Temperaturen stark reduziert. Der bereits im Holz gespeicherte Kohlenstoff bleibt jedoch gebunden. Schnee schützt zusätzlich die Bodenkohlenstoffspeicher, indem er Mykorrhiza-Netzwerke vor Frost bewahrt.
    • Schadet Schnee dem Wald? Normalerweise nicht – im Gegenteil. Schnee isoliert den Boden und stabilisiert das Bodenleben. Nur bei Schneebruch durch nassen, schweren Schnee können Kronen brechen. Aber selbst diese Störungsflächen können langfristig zur Biodiversität beitragen.
    • Warum sollte Laub im Wald liegen bleiben? Die Laubschicht ist kein Abfall, sondern ein funktionierendes Ökosystem. Sie schützt den Boden, speichert Feuchtigkeit und bietet Überwinterungsquartiere für zahlreiche Tierarten.
    • Fördert Totholz nicht den Borkenkäfer? Nur frisch abgestorbenes Holz ist für Borkenkäfer attraktiv. Älteres Totholz wird von ihnen nicht mehr besiedelt – dafür aber von ihren natürlichen Feinden bewohnt. Totholz im Wald zu belassen kann daher langfristig zur natürlichen Schädlingsregulation beitragen.

     

    Quellen und weiterführende Links

    BFW – Bundesforschungszentrum für Wald

     

    Interreg-Projekt WINALP 21

     

    Totholz und Borkenkäfer

    Zum Weiterlesen

    Sommerwald – Der Wald im Sommer
    Vögel im österreichischen Wald: Klimawandel und die Sorge um den Nachwuchs
    Holzwerkstoffe in Österreich: Nachhaltiger Rohstoff trifft Hightech-Industrie

    Zum Nachlesen

    Rechte & Produktion

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