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Wald für alle – wie man
Holznutzung, Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität vereinbart

Ein Fachbeitrag von Dipl.-Ing. Dr. Peter Mayer

Was verbinden Sie mit dem Wald? Natur, Schutz, Gesundheit, Sport, Jagd, Einkommen, Holzprodukte. Für viele ist es mehr als eine dieser Leistungen. Aber können alle Leistungen gleichzeitig erbracht werden? Und welche Rolle spielt der Wald bei der CO2-Speicherung?

Nachhaltigkeitsziele und Green Deal als Rahmen

Beginnen wir mit einem globalen Blick auf den Wald und damit auf die nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG). Diese 17 globalen Ziele sind darauf gerichtet, eine Entwicklung für unser aller Zukunft zu beschreiben – und dabei wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte zu beachten. Wälder spielen in vielen dieser SDGs [1] eine sehr wichtige Rolle, zum Beispiel:

  • SDG 3 zielt darauf ab, Lösungen anzubieten, welche die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden reduzieren.
  • SDG 8 und 9 zielen darauf ab, ein höheres Maß an wirtschaftlicher Produktivität zu erreichen – durch Diversifizierung, technologische Aufrüstung und Innovation.
  • SDG 13 zielt auf die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit gegenüber klimabedingten Gefahren und Naturkatastrophen ab.
  • Und schließlich: SDG 15 zielt auf die Erhaltung und nachhaltige und effiziente Nutzung terrestrischer Ökosysteme und natürlicher Ressourcen ab – wie zum Beispiel Wälder.

Diese und noch viel mehr Ziele und Interessen zur Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft spiegeln sich auch im Green Deal der Europäischen Union [2] wider und werden für die Politikgestaltung wichtig. Bezogen auf den Wald, reichen die Ziele dabei von der Abschwächung des Klimawandels über den Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität, die Unterstützung der Nutzungs- und nachhaltigen Produktpolitik bis zur Bereitstellung einer intakten Umwelt für unsere Gesundheit, Erholung und soziale Aspekte. Aber im Green Deal wird auch klargestellt, dass es wichtig ist, die möglichen Zielkonflikte zwischen diesen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen zu verstehen.

 

Bevölkerungsdynamik und die Rolle des Waldes

Einer der Megatrends, den wir alle erleben und der einen großen Einfluss auf unsere zukünftige Gesellschaft hat, ist die wachsende Weltbevölkerung. Derzeit beherbergt die Erde über 7 Milliarden Menschen – und wir werden bis zum Jahr 2100 auf etwa 11 Milliarden Menschen anwachsen [3]. Ein massiver Anstieg mit vielen Fragen: Wie können wir so viele Menschen mehr ernähren? Wie müssen sich unsere Gesellschaften entwickeln, z. B. in Richtung einer kreislauforientierten Bioökonomie?

In Bezug auf die Wälder geht es dabei um die Entwicklung der Landnutzung und mögliche Landnutzungsänderungen. In der Vergangenheit hat dies – als ein Treiber – zur globalen Entwaldung beigetragen. Laut Waldzustandsbericht der FAO (2020) [4] sank der Anteil der globalen Waldfläche an der gesamten Landfläche in den drei Jahrzehnten zwischen 1990 und 2020 von 32.5 Prozent auf 30.8 Prozent. Dies entspricht einem Nettoverlust von 178 Millionen Hektar Wald, eine Fläche etwa so groß wie Libyen. Allerdings ging die durchschnittliche Rate des Netto-Waldverlustes von etwa 8 Millionen Hektar auf etwa 5 Millionen Hektar pro Jahr zurück.

In Europa, insbesondere auch in Österreich, nimmt die Waldfläche nach Angaben von Forest Europe [5] weiter zu. Sie beträgt derzeit in den Forest Europe Ländern, ohne die Russische Föderation, etwa 227 Millionen Hektar und macht fast 35 Prozent der gesamten Landfläche aus. In der EU bedecken Wälder etwa 42 Prozent der Landfläche [6]. All dies muss in Relation zum Bevölkerungswachstum und den damit verbundenen Auswirkungen gesetzt werden. Insbesondere die Entwicklung und Gestaltung unseres Konsumverhaltens spielt für alle Zukunftsszenarien eine sehr wichtige Rolle. Lassen Sie mich den letzten Punkt mit einem weiteren Megatrend verbinden: die Urbanisierung. Im Jahr 2100 werden mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben [7]. Neue Anforderungen an die Wälder – vor allem in der Nähe von Städten – werden entstehen. Während der aktuellen COVID-19-Krise erleben wir bereits einen signifikanten Anstieg für Gesundheits- und Erholungsleistungen, besonders im Umkreis von Städten.

 

Integration von Interessen: Bioökonomie und Walddialog

Wie kann man unsere unterschiedlichen Ziele und Interessen als Gesellschaft in einem gemeinsamen Plan verarbeiten? Mit dem dynamischen Konzept der kreislauforientierten Bioökonomie [8] ist es möglich, von der Produktion von Rohstoffen über die Erhaltung und die Verbesserung der Biodiversität bis hin zum individuellen Konsumverhalten einen strategischen Überbau zu etablieren. Dieses alle Sektoren umfassende Konzept kann auch die Wechselwirkungen unserer Interessen am Wald im Sinne einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung berücksichtigen und eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung ermöglichen.

Ein international beachtetes Beispiel der Integration verschiedener Interessen am Wald ist der österreichische Walddialog [9]. 85 Organisationen aus verschiedensten Sektoren ist es gelungen, eine gemeinsame Strategie mit Maßnahmenplan abzustimmen. Ein Teil davon sind Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, basierend auf dem gemeinsamen pan-europäischen Set des Prozesses „Forest Europe“. Bemerkenswert ist, dass in allen Bereichen gemeinsame, messbare Zielwerte vereinbart werden konnten.

 

Die Rolle des Waldes im Klimawandel

Im komplexen Dickicht der Interessen am Wald ist aber vor allem der Klimawandel einer der Megatrends, der viele Aspekte beeinflusst. Insbesondere sind für den Wald, wie für alle Ökosysteme, eine Reihe von Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Hier hat das BFW bereits eine Reihe von forschungsbasierten Empfehlungen für die Entwicklung eines klimafitten Waldes erarbeitet.

Der Wald nimmt grundsätzlich Kohlendioxid aus der Luft auf und speichert den Kohlenstoff im Holz. Dieser Kohlenstoffvorrat nimmt derzeit und in naher Zukunft zu und hilft beim Klimaschutz. Wird die globale Erderwärmung aber nicht, wie im Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen, auf unter 2 Grad Celsius begrenzt, ist dieser Beitrag gefährdet. Höhere Temperaturen und dadurch erforderliche Anpassungsmaßnahmen im Wald können die Senkenwirkung des Waldes und des Holzsektors deutlich beeinflussen.

Österreichs Wald wird noch für die nächsten 30 bis 100 Jahre eine CO2-Senke darstellen, danach zeigen die Szenarien des von BFW, BOKU und Umweltbundesamt im Rahmen des Klima- und Energiefonds durchgeführten Projektes „CareforParis“ [10] ein gegenteiliges Bild: Der Wald wird zur Kohlenstoffquelle. Wenn wir das Klimaziel von Paris erreichen wollen, hat daher die Vermeidung von Treibhausgasemissionen oberste Priorität.

Klimaschützer Wald

Der österreichische Wald nimmt Kohlendioxid aus der Luft auf und speichert den Kohlenstoff im Holz. Dieser Kohlenstoff-Vorrat nimmt derzeit und in naher Zukunft zu und hilft beim Klimaschutz. Wird die globale Erderwärmung nicht wie im Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen auf unter 2 °C begrenzt, ist dieser Beitrag gefährdet.

CO2-Speicher Holz 

Durch die Holznutzung und die Weiterverarbeitung in langlebige Produkte wird das Kohlendioxid nicht sofort an die Atmosphäre abgegeben, sondern bleibt bis zum Ende der Nutzungsdauer im Holz gespeichert. In jedem Kubikmeter Holz ist eine Tonne CO2 gespeichert!

Wald, Holz, Klimaschutz

Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und Nutzung von Holz hat eine größere Klimaschutzfunktion als ein naturbelassener Wald. Bewirtschafteter Wald speichert langfristig mehr COpro Hektar und Jahr als nicht bewirtschafteter Wald.

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Holzprodukte für mehr CO2-Speicherung

Langlebige Holzprodukte spielen eine zentrale Rolle, weil sie einen zusätzlichen Kohlenstoffspeicher darstellen. In den Szenarien zeigt sich, dass sich diese Speicherkapazität durch begrenzte Einsatzmöglichkeiten, begrenzte Produktlebensdauer und begrenztes Rohstoffangebot sukzessive verringert. Die Klimakrise wird auch die ökonomischen Rahmenbedingungen der Forst- und Holzwirtschaft, Stichwort Baumartenzusammensetzung, verändern.

Verwendet man nun Holzprodukte, können Emissionen vermieden werden, da Holzprodukte einen kleineren Kohlenstoff-Fußabdruck als Ersatzprodukte aus anderen Rohstoffen aufweisen. Dies ist ein dauerhaft positiver Effekt auf die Treibhausgasbilanz – auch dann, wenn der Wald zur Emissionsquelle wird und sich der Kohlenstoff-Fußabdruck von Ersatzprodukten durch dekarbonisiertes Wirtschaften verringert. Die Holzverwendung leistet damit
einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Wird weniger Holz genutzt, stellt der Wald zwar für einen beschränkten Zeitraum eine stärkere CO2-Senke dar, die gesamte Bilanz fällt allerdings schlechter aus, weil als Ersatz weitgehend auf fossile Rohstoffe zurückgegriffen werden muss. Für die Dekarbonisierung ist Holz damit ein unverzichtbarer Rohstoff. Es zeigt sich aber auch klar, dass die Beschränkung einer globalen Temperaturerhöhung auf unter 2 Grad Celsius die entscheidende Anpassungsmaßnahme ist, um den Beitrag des Waldes gegen die Klimakrise zu managen.

 

Wald/Klima/Biodiversität – die Zukunft

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, der Green Deal der EU und die kreislauforientierte Bioökonomie bieten Modelle einer zukünftigen Gesellschaftsentwicklung. Die Gestaltung seiner vielfältigen Leistungen, wie z. B. Holznutzung, Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität, bedürfen dynamischer Konzepte und spielen in der Umsetzung dieser Modelle eine entscheidende Rolle. Um in diesem Kontext die Klimaziele von Paris zu erreichen, haben die Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasemissionen die oberste Priorität. Trotzdem wird mit Unterstützung der Forschung intensiv an der Entwicklung eines klimafitten Waldes gearbeitet.

Ein stärkerer Klimawandel und erforderliche Anpassungen im Wald können die Treibhausgasbilanz des Waldes allerdings verschlechtern und die ökonomischen Rahmenbedingungen des waldbasierten Sektors verändern. Der österreichische Wald und die Holzproduktepools sind dabei selbst nur zeitlich begrenzte Kohlenstoffspeicher. Eine verringerte Holznutzung würde zusätzlich zu höheren Emissionen von fossilem Kohlenstoff führen. Der größte Hebel für den Klimaschutz ist daher der Ersatz fossiler Rohstoffe durch Holzprodukte und die damit vermiedenen Emissionen.

Wald für alle – die Rolle von Wald und Holz in der Gesellschaft wird weiter zunehmen, vom Holzhaus über Biodiversität bis zum Erholungs- und Gesundheitsort.

Zum Weiterlesen

Unbewirtschaftete Wälder verlieren bis zu 40 % der Holzproduktion und Kohlenstoffbindung
Die Rolle des Rohstoffs Holz für den Klimaschutz
Ohne menschliche Bewirtschaftung – zusätzliches Kohlenstoffspeicherpotential im Wald gering

Zum Nachlesen

Literatur

[1] https:Vereinte Nationen)//sdgs.un.org/goals
[2] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_en
[3] https://population.un.org/wpp/; https://www.dsw.org/infografiken/
[4] http://www.fao.org/state-of-forests/en/
[5] https://foresteurope.org/wp-content/uploads/2016/08/SoEF_2020.pdf
[6] https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/EDN-20180321-1
[7] https://population.un.org/wup/Publications/Files/WUP2018-Highlights.pdf
[8] https://ec.europa.eu/info/research-and-innovation/research-area/environment/bioeconomy/bioeconomystrategy_en https://www.bmbwf.gv.at/Themen/HS-Uni/Hochschulgovernance/Leitthemen/Nachhaltigkeit/Bioökonomiestrategie.html
[9] https://info.bmlrt.gv.at/themen/wald/walddialog.html
[10] https://www.bfw.gv.at/pressemeldungen/bfwpraxisinformation-51-careforparis/
[11] Weiß, P. (2019): Vortrag zu „Projekt CareforParis – Zusammenschau“, Universität für Bodenkultur, Wien, 23. Oktober 2019. Im Rahmen der Veranstaltung „CAREFORPARIS: Adaption for CARbon Efficient FORests and the entire wood value chain (including a policy decision support tool) – Evaluating pathways supporting the PARIS Agreement“

  • BFW Praxisinformation 2019: Zwischenauswertung der Waldinventur 2016/18
  • BFW Praxisinformation (2020): Klimakrise managen: Ausblick für Wald und Holznutzung
  • Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (2018): Österreichische Waldstrategie 2020+
  • Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (2019): Bioökonomie. Eine Strategie für Österreich
  • Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (2021), Infografik: Vereinte Nationen World Population Prospects: The 2017 Revision
  • European Commission (2017): Review of the European Bioeconomy Strategy 2012
  • European Commission (2019): Communication from the Commission to the European Parliament, the European Council, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions. The European Green Deal
  • EUROSTAT (2018): News – International day of forests
  • FAO (2020): The State of the World’s Forests 2020
  • Forest Europe (2020): State of Europe’s Forests 2020
  • United Nations (2015): Transforming our World: The 2030 Agenda for Sustainable Development.
  • United Nations (2019): World Population Prospects.
  • United Nations (2019): World Urbanization Prospects 2018, Highlights.

Quellen

  • Dipl.-Ing. Dr. Peter Mayer

Dipl.-Ing. Dr. Peter Mayer ist der Leiter Bundesforschungszentrum für Wald.

 

Rechte & Produktion

© 2022 Dipl.-Ing. Dr. Peter Mayer und waldgeschichten.com  –  Die österreichischen Familienwaldbetriebe & Österreichischer Forstverein  –  Unterstützt durch den Holzinformationsfonds der Landwirtschafskammer Österreich.

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