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Wenn Bäume das Zeitliche segnen …

… wohin geht dann der Kohlenstoff?

Von Ulrich Kohnle, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

Der menschengemachte rasche Klimawandel wird maßgeblich von der Zunahme des Gases Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre angetrieben. Wirksame Begrenzung der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre würde daher wesentlich zur Linderung beitragen. Die in diesem Zusammenhang angestrebte „Kohlenstoff-Neutralität“ hat zum Ziel, in der Bilanz nicht mehr CO₂ in die Atmosphäre auszustoßen, als gleichzeitig wieder zu binden.

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Bindung von Kohlenstoff

Dabei können Bäume eine Rolle spielen. Das wird deutlich, wenn man sich den Weg des Kohlenstoffs im Leben und Sterben von Bäumen sowie bei der Holznutzung ins Gedächtnis ruft. Dem Verständnis halber seien dazu ein paar „klugscheissernde“ Ausführungen erlaubt (Abbildung 1):

Bindung von Kohlenstoff: In grünen Blättern oder Nadeln entstehen bei der Photosynthese – unter Zufuhr von Sonnenenergie – aus CO₂ und Wasser Kohlenhydrate in Form von Einfachzuckern. Dabei wird Sauerstoff freigesetzt. Anschließend werden die Einfachzucker zu langkettige Molekülen zusammengefügt (Polymere), aus denen auch das Holz besteht. Lebende Bäume entziehen also der Atmosphäre CO₂ und speichern es in Form „Sonnenenergie-angereicherten“ Holzes.

Abbildung: Bindung und Freisetzung von Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre bei der Bildung von Holz.

Freisetzung von Kohlenstoff

Freisetzung von Kohlenstoff: Beim Abbau des Holzes verläuft der Prozess umgekehrt. Holz wird in seine Ausgangsbestandteile zerlegt: Wasser und CO₂. Dabei wird Sauerstoff verbraucht. Die ursprünglich aus der Sonne gespeicherte Energie wird wieder frei. Und der im Holz gebundene Kohlenstoff entweicht als CO₂ wieder in die Atmosphäre. Das trifft übrigens beim Verbrennen genauso zu, wie beim Abbau von Totholz.

Allerdings: Während beim Verbrennen die gespeicherte Energie sofort als Wärme frei wird, verläuft der Abbau durch Organismen (z.B. Pilze) langsamer und die freiwerdende Energie dient als Lebensquelle. Für die Kohlenstoff-Bilanz ist dieser Unterschied aber unerheblich: am Ende des Prozesses ist das gesamte CO₂ wieder freigesetzt.

Abbildung: Bindung und Freisetzung von Kohlendioxid (CO₂) aus der Atmosphäre beim Abbau bzw. Verbrennen von Holz.

 

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Günstig für die Kohlenstoffbilanz

Wenn also bei der Holznutzung am Ende das gesamte CO₂ wieder frei wird, worin besteht denn dann überhaupt der Beitrag zur angestrebten Kohlenstoff-Neutralität? Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Holz-Produktspeicher: Erweiterung des Waldspeichers
In langlebigen Holzprodukte (z.B. Möbel, Dachstühle) bleibt der Kohlenstoff gespeichert. Damit kann in diesem „Produktspeicher“ außerhalb Waldes zusätzlich Kohlenstoff gespeichert werden.
Erreichen Holzprodukte das Ende ihrer Lebensdauer, werden sie verbrannt oder sonstwie abgebaut. Ergebnis: der gespeicherte Kohlenstoff wird wieder frei. Der Waldspeicher wird also durch den Produktspeicher zwar erweitert. Sobald allerdings der Zugang neuer Holzprodukte in der Bilanz dem Abgang alter Holzprodukte entspricht, leistet der Produktspeicher keinen weiteren Beitrag zur Verbesserung der CO₂-Bilanz mehr.

Substitutionseffekt: Brennholz ersetzt nicht-regenerative Energieträger
Wird Holz verfeuert, geht der gespeicherte Kohlenstoff natürlich wieder als CO₂ in die Atmosphäre. Damit ist die CO₂-Bilanz zwar „nur“ neutral. Weil aber fossile Energieträger ersetzt werden („Substitution“), wird so deren CO₂-Freisetzung eingespart. Und das funktioniert, egal ob das Brennholz direkt aus dem Wald stammt oder ob Holzprodukte verbrannt werden.

Substitutionseffekt: Holz ersetzt energieintensive Baustoffe
Ein markanter Substitutionseffekt tritt auf, wenn Holz Baustoffe wie Zement oder Stahl ersetzt. Zur Herstellung solcher Baustoffe kommen regelmäßig große Mengen fossiler Energieträger zum Einsatz. Die CO₂-Freisetzung daraus wird quasi eingespart, wenn diese Baustoffe erst gar nicht produziert werden und durch Holz ersetzt werden. Wichtig zu wissen: Der Substitutionseffekt hat ein enormes Ausmaß und schlägt jedes Mal erneut zu Buche, wenn mit Holz anstelle anderer Baustoffe gearbeitet wird. Das ist auch der größte Klimaschutzhebel, den der Wald besitzt.

Als Zwischenfazit lässt sich festhalten: Die (sinnvolle) Nutzung von Holz aus bewirtschafteten Wäldern – wo die Bäume beim Einschlag quasi gezielt das Zeitliche segnen – wirkt sich durch Speicher- und Substitutionseffekte zweifellos günstig auf die Kohlenstoffbilanz aus.

Bewirtschaftung einstellen?

Immer wieder wird auch diskutiert, ob sich nicht eine noch bessere Wirkung erzeugen ließe, wenn die Bewirtschaftung eingestellt und alles Holz im Wald verbleibt? Die Vorstellung ist dabei die, dass dann mit zunehmendem Alter die Holzvorräte in lebenden Bäumen und Totholz stetig weiter steigen und sich das besser auf die Kohlenstoffbilanz auswirkt, als Substitutions- und Produktspeicher-Effekte bei Bewirtschaftung und Holznutzung.

Die Gretchen-Frage ist nur: Stimmt das auch wirklich? Tatsächlich sind da aus folgenden Gründen erhebliche Zweifel angebracht.

  • Sinkender Zuwachs (Kohlenstoff-Bindung)
    In älteren Beständen nimmt der hektarbezogene Zuwachs mit zunehmendem Alter ab (Abb. 2A). Und zwar unabhängig davon, ob sie bewirtschaftet sind oder aus der Bewirtschaftung entlassen wurden. Unbewirtschaftete Beständen erreichen – schadfreie Entwicklung vorausgesetzt – höhere Alter als bewirtschaftete Bestände. Als Folge der sinkenden Zuwachsleistung entziehen sie dann der Atmosphäre weniger CO₂ als zuwachskräftigere jüngere Beständen.

 

  • Gebremste Vorratsanreicherung (Kohlenstoff-Speicherung)
    Außerdem steigt der stehende Holzvorrat (in lebenden Bäumen) in wenig bis nicht durchforsteten Beständen keinesfalls proportional zum laufenden Holzzuwachs an. Typisch ist hier, dass in der Bilanz immer geringere Anteile des laufenden Zuwachses eine Vorratssteigerung bewirken (Abb. 2B). Der Grund liegt darin, dass laufend Bäume absterben. Damit im Holz gespeicherter Kohlenstoff aus dem stehenden Vorrat ins Totholz über. Und da das Totholz über kurz oder lang von Organismen abgebaut wird, wird der dort gespeicherte Kohlenstoff bereits mittelfristig weitestgehend vollständig wieder als CO₂ frei.
    Im Gegensatz dazu greift die Holznutzung der natürlicher Mortalität weitestgehend vor. Es entsteht viel weniger Totholz und das genutzte Holz verbessert durch Produktspeicher- und Substitutionseffekte die Kohlenstoff-Bilanz bei. Oder um es etwas plastischer auszudrücken: Bei Holznutzung ist der im Vorrat gespeicherte Kohlenstoff eben nicht als CO₂ verloren – er ist lediglich woanders gespeichert!

 

  • Zunehmende Schadrisiken (Kohlenstoff-Speicherung)
    Ganz wichtig – und in den Diskussion gerne übersehen: Mit zunehmendem Alter nehmen die Schadrisiken zu. Besonders klar ist dieser Zusammenhang bei dem mit zunehmender Baumhöhe verbundenen überproportionalen Anstieg des Risikos von Sturmschäden (Abb. 2C). Vor allem bei Fichte direkt verbunden mit der Gefahr nachfolgender Borkenkäfer-Kalamitäten! Entläßt man Bestände aus der Bewirtschaftung und läßt sie einfach stehen, werden sie immer höher, der zunehmende Holzvorrat wird immer größeren Schadrisiken ausgesetzt und die Gefahr nimmt stark zu, dass dann im Schadensfall aus dem Schadholz unkontrolliert und in großen Mengen CO₂  freigesetzt wird.Die Einstellung der Holznutzung in bisher bewirtschafteten Wäldern trägt damit zwar aufgrund steigender Vorräte an lebenden Bäumen und Totholz zumindest kurzfristig in der Tat zur Kohlenstoffbindung bei. Aber:
  • Mit zunehmendem Alter gehen die laufenden Zuwächse zurück. Zudem nimmt die Netto-Bilanz des im Stehendvorrat angereicherten Zuwachses ab – und damit auch die aus der Atmosphäre gebundene Menge an CO₂ ;
  • durch Verzicht auf Holznutzung entfallen die für die Kohlenstoffbilanz förderlichen Substitutions- und Produktspeicher-Effekte;
  • mit zunehmendem Alter/Höhe nehmen die Ausfallrisiken stark zu. Damit steigt in unbewirtschafteten Beständen die Gefahr, dass durch Abbau von Schadholz unkontrolliert große Mengen an CO₂  freigesetzt werden.

Abbildung: Zusammenhänge bei Fichte zwischen
A – Alter und Zuwachs, B – Alter und Anteil im Vorrat gespeicherten laufenden Zuwachses,C – Höhe und Sturmschadensrisiko.

Biomasse-Zuwachs

Die Moral von der Geschicht‘

Alles in allem, führt der Verzicht auf Holznutzung in bisher bewirtschafteten Beständen nicht wirklich zu einer Verbesserung der Kohlenstoffbilanz. Mittel- bis längerfristig ist sogar das Gegenteil der Fall. Außerdem – für Forstbetriebe und Waldbesitzer nicht ganz unwichtig – die lebensnotwendigen Erträge aus Holznutzung gibt es nur in bewirtschafteten Wäldern …

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